Ein Osterwunder ist es nicht, aber ich bin nach drei Wochen Regenwald am Ostersonntag um die Mittagszeit wieder in Puyo angekommen. Eigentlich hatte ich gegen Ende gar kein großes Bedürfnis den Wald zu verlassen, denn ich hatte mich wirklich gut eingelebt und kann mir gut vorstellen, auch einmal noch länger dort zu sein. Der Komfort des Achuar-Hotels von Sharamentsa sucht im Regenwald seinesgleichen, denn fließendes Wasser und Toiletten mit Spülung sucht man manchmal sogar in teureren Dschungel-Lodges vergebens.
|
alltäglich: Kind mit Messer |
Ich habe die letzten Wochen für meine Arbeit gut genutzt. Einige der Interviews, die ich über das Projekt geführt habe fanden direkt in meinem "Büro", also auf der Terrasse meiner Unterkunft statt, während ich die Älteren im Dorf nach einer Ankündigung in ihrem eigenen Haus besuchte. Dort saß ich dann auf einem geschnitzten Hocker teils umringt von Kindern, während die Frau erst Chicha in typischen Pinink-Schalen brachte und dann im Hintergrund weiter Yuca-Wurzel für das Getränk kaute und in den großen Topf spuckte.
|
Seibo im Hintergrund. Wunderschöner Wald! |
Ich habe schon jetzt einiges über die verschiedenen Menschen erfahren, ihre Zukunftshoffnungen und darüber, wie die Entwicklung des Dorfes und die Unterstützung durch Amazonica damit zu tun haben. Es gibt Grund zu hoffen, aber auch Gründe, jede Art von Entwicklungshilfe sehr kritisch zu begutachten, wenn sie Erfolg haben soll. Es wirkt aus meiner Sicht mittlerweile unglaublich, wie eine einfache Geldspritze - ähnlich einer Investition in ein Start-Up-Unternehmen - jemals als glaubwürdiges Konzept für die offizielle Entwicklungshilfe durchgegangen ist. Der Prozess der Entwicklung einer moderneren und für die darin lebenden Individuen auch besseren Gesellschaft ist komplex und vielschichtig, häufig alles andere als rational planbar, und er erfordert von allen Beteiligten eine gewaltige Menge Engagement und Durchhaltevermögen. Das Projekt hier läuft seit vierzehn Jahren und nicht viele Entwicklungsprojekte können das von sich behaupten.
|
Nachbargemeinde mit zwei Baustilen |
Natürlich hatte ich auch wieder etwas Gelegenheit für Freizeitaktivitäten, zum Beispiel um andere Gemeinden zu besichtigen. In Sharamentsa wird nur noch traditionell gebaut mit einigen Modifikationen zum Komfort der Besucher, und einigen greifbaren Verbesserungen, die den allgemeinen Lebensstandard der Bewohner heben. Jedes Haus hat einen eigenen Wasseranschluss und Elektrizität. All das trifft auf die anderen Gemeinden im Achuargebiet nicht zu. In einigen gibt es, wie man mir erzählt, schwere Ernährungsmängel, das Flusswasser bringt bakterielle Krankheiten, und wie ich selbst feststellen konnte, geht die aufwendige Webtechnik für die Palmdächer hier und dort verloren, weil nur noch Wellblech verwendet wird. Wellblech hat aber den Nachteil, dass es darunter bei Sonne extrem heiß und bei Regen extrem laut wird - beide Wetterlagen sind denkbar häufig.
|
Klassenzimmer des Gymnasiums (Colegio) |
An einem Tag wurde mir der Nachteil der Wellblechdächer besonders bewusst. Ich habe mich nämlich für eine Woche als Englischlehrer an der Grundschule und am Gymnasium von Sharamentsa engagiert. Ganz schön anstrengend, muss ich sagen. Mein Respekt für die Lehrer in meiner Bekannt- und Verwandtschaft ist, soweit möglich, nochmals gestiegen. An dem besagten Tag verhinderte ein Regenschauer für etwa eine halbe Stunde fast gänzlich die Kommunikation, so dass ich stattdessen von Tisch zu Tisch ging und schriftliche Aufgaben verbesserte. Ich hatte als Lehrer auch eine Menge Spaß und fand mehr und mehr Gefallen an der Aufgabe mit der zunehmenden Übung.
|
Schulstunde mit Haustierbesuch |
Von meinem Geburtstag letzte Woche hatte ich keinem etwas gesagt und bekam deswegen auch keine Glückwünsche. Die Achuar feiern Geburtstage nicht, warum also nicht mal etwas Anderes ausprobieren. Es war ein Experiment meinerseits und ich muss sagen, ich habe es genossen. Aber ein Zugeständnis machte ich doch und zwar hatten mich die Grundschüler schon in der Woche zuvor gebeten, doch etwas zu singen und da war mir als englisches Lied mit einfachem Text "Happy Birthday" eingefallen, das seither in jeder Stunde wiederholt wurde. Also bekam ich auch an meinem Geburtstag ein Ständchen, gesungen von zwölf süßen Kinderstimmen, während ich vor einer Tafel stehend auf die einzelnen Wörter zeigte. Genug Feier für mich!
Diese Woche ist jetzt erstmal Puyo dran, dann gehts vorübergehend nach Quito und Anfang Mai will ich zurück in den Wald. Es geht weiter...