Freitag, 30. Mai 2014

Regenwald intensiv, die Zweite

"Lobby" und Aufenthaltsraum
Feuerstelle und Esstisch/Arbeitsplatz
Wieder hat mich der Wald freigegeben. Diesmal verbrachte ich zwei Wochen im Hotel von Yuwientsa, einer Shuar-Gemeinde in der ecuadorianischen Provinz Morona-Santiago. Ich sage Hotel hier ganz ohne Ironie, denn ich hatte (wieder) Vollpension, ein sehr angenehmes Zimmer, und ein Vorzimmer mit Feuerstelle und Hängematten. Für meine Interviews wurde per Zeitplan gesorgt, so dass mit relativ großer Zuverlässigkeit die Interviewpartner selbst im Hotel erschienen und sich für meine Fragen Zeit nahmen. Anders als in Sharamentsa, das am Flussufer in einer Gegend ohne größere Erhebungen liegt, ist Yuwientsa umgeben von Hügeln. Das Hotel liegt auf einer Erhöhung, so dass man einen großzügigen Ausblick genießt. Geradezu luxuriöses Forscherleben :)
Boa(h)
Da wird der gelegentliche Besuch eines Skorpions im Zimmer hingenommen und die Spinnen mit ihren Netzen werden zu Beschützern vor den Moskitos. Lange hatte ich - abgesehen von Insekten und Vögeln - wenige der Attraktionen der typischen Dschungelfauna gesichtet. Doch eines Tages brachte einer meiner Begleiter eine zwei Meter lange Boa, die er auf dem Heimweg gefunden hatte, zum Anschauen mit ins Hotel. Jung und Alt bewunderte und streichelte die Schlange. Am Ende wurde sie am Fundort wieder ausgesetzt. 
Eine kleine Großspinne
Kurz darauf sah ich dann meine ersten Großspinnen, die im aus Blättern dicht gewebten Dach des Hotels Schaben und kleine Fledermäuse jagten. Leider sind die Spinnen nicht wie die Schlange zum Streicheln geeignet, da manche Tarantelarten als Abwehrreaktion schmerzhafte Haarpfeile verschießen. Sie sind aber auf ihre eigene Weise schön und faszinierend, finde ich.
Wenn die Wasserleitung, die auch vom Rest des Dorfes genutzt wird, überlastet war und vorübergehend versiegte, lohnte es sich, auf die Alternative vor Ort zurückzugreifen: Baden im Fluss! Wundervoll, erfrischend aber nicht kalt, ganz nah und nach einem heißen Dschungeltag mit Arbeit und Sport genau das Richtige.
Die Lagune und ihr Herr
Eines der Highlights war der Besuch der Lagune eines der hiesigen Väter des Projekts. Er züchtet Fisch zur Nahrungsversorgung und pflegt den Tierreichtum der Umgebung. Er hat die Idee, einmal eine Art Wildpark einzurichten, so dass man in einem eingezäunten Gebiet die Tiere des Waldes beobachten kann. Er ist ein Visionär, einer derjenigen, der sich schon lange vor dem Erscheinen der Stiftung für den Erhalt der Flora und Fauna rund um sein Heimatdorf einsetzte und zum Beispiel gegen das Fischen mit Dynamit und Gift vorging. In paradiesischer Umgebung tauschten wir uns über die Zukunft aus, und über die Hoffnung, die er in die nächste Generation setzt. Inspirierend!
Der unvergleichliche Flussblick
Auf der Rückreise aus dem Wald besuchte ich ein zweites Mal mein liebgewonnenes Achuar-Dorf Sharamentsa, diesmal in Begleitung der Stifungsleiterin Mascha Kauka, die von den Achuar Núnkui genannt wird (nach einem der guten Geister der Pflanzen), und von den Shuar Yaanua, die Sternenfrau (ein nicht untypischer Shuarname, bei dem Yaa Stern und Nua Frau bedeutet). Sie war den beiden Dörfern über die Jahre eine gute Freundin und Beschützerin und ist mit ihnen durch dick und dünn gegangen. Natürlich hat sie hat durch ihre jahrzehntelange Arbeit mit den Indigenen von Ecuador einen unerschöpflichen Reichtum an Geschichten, die nicht nur den Forscher in mir interessieren :)
"On the road again"
Seit heute bin ich wieder in Puyo und bereite mich nun auf eine kleine Rundreise durch Ecuador vor mit dem nächsten Ziel Cuenca. Danach soll es noch an die Küste gehen, bevor ich in zwei Wochen wieder nach Deutschland fliege.

Dienstag, 6. Mai 2014

Forschen vs. Freizeit

Seit zwei Wochen bin ich (vorerst) zurück in Quito. Wegen meines Hosteljobs als Freiwilliger wohne und esse ich kostenlos, was ein gutes Argument für Quito im Gegensatz zu Puyo ist, wo ich vermutlich im Hotel wohnen würde. Im Übrigen hatte ich gehofft, viel von meinen Interviews zu transkribieren und einiges für den zweiten Trip in den Regenwald vorzubereiten. Doch wie man sich denken kann ist das Hostelleben nicht nur förderlich für konzentrierte Forschung und Datenauswertung.

Feuer am Nachmittag (uns war einfach kalt)
Seit ich hier bin, kennen mich natürlich immer alle Gäste als einen Volunteer, der immer für Fragen zur Verfügung steht, fast immer eine Antwort hat und zumindest - stets hilfreich bei der Informationsbeschaffung - die Locals oder das Internet bemüht. Und natürlich lerne ich bei der abendlichen Runde um das Lagerfeuer einige interessante Menschen aus der ganzen Welt kennen. 
Es gibt eine Morgenschicht, bei der Frühstück serviert wird, und häufig geht um zehn Uhr ein Shuttle in das Partnerhostel nahe dem Vulkan Cotopaxi, so dass Gäste auschecken und zum Gepäcklager begleitet werden wollen. Die Abendschicht ist länger und nach dem Abendessen gibt es einiges abzuspülen und natürlich das Feuer zu machen. Alles gute Voraussetzungen für die perfekte Prokrastination.* Wenn man dann noch Magen-Darm-Probleme und Schnupfen hinzufügt, leidet die Effizienz des Forschers ;-)

Arbeitsplatz auf der Terrasse
Sir Paul McCartney
Interviews transkribiere ich aber trotzdem und ich komme voran, nur eben langsamer als ich dachte. Und die Pufferzeit hat mir schließlich einige Erlebnisse gebracht, die ich nicht missen will. Zum Beispiel das Paul McCartney-Konzert am letzten Montag im Fußball-Stadion der Liga. Der Ex-Beatle hat in Ecuador eine riesige Fan-Basis und hat das Stadion gut gefüllt. Das bisschen Regen von gefühlten zwanzig Minuten während des dreistündigen Konzerts hat keinen gestört. Ich wollte ursprünglich mit einem meiner Hostelkollegen gehen, aber der hatte den ganzen Tag vor dem Eingang gecampt und ich kam abends etwas zu spät an, um noch mit ihm reinzukommen. Das gute daran war, dass ich auf diese Weise zwei Ecuadorianer kennenlernte, die mir nicht nur sehr nette Gesellschaft während des Konzerts leisteten, sondern mich auch nachts zurück zum Hostel transportierten. Einziges Manko des Konzertabends: Ich wurde beim Anstehen bestohlen und zwar klaute jemand mein Büchlein mit Forschungsnotizen. Bin ich froh, dass ich kleinlich genau alle meine Notizen regelmäßig auf den PC übertragen habe, inklusive Telefonnummern und Adressen. Gefühlter Verlust: zwei Seiten Notizen vom Vortag, einige Formulierungen auf Achuar. Das wars! Glück gehabt, denn die Konzertkarte im Wert von 100 Dollar war direkt daneben. Dummer Dieb :-P

Der Post ist schon lang geworden, also teile ich hier einfach noch ein paar Bilder und Videos von anderen Gelegenheiten wie Ausgehen mit den Leuten aus dem Hostel und einen Tagestrip auf den Markt von Otavalo. 



Vor dem Weggehen in der "Mariscal"

Neue Freunde beim McCartney-Konzert




Markt von Otavalo

Mittagessen mit überraschendem Hühnerfuß

*für diejenigen, die schon eine Weile nicht mehr in der Uni oder Schule waren: Prokrastination (lat. procrastinatio: "Vertagung") ist das Phänomen der Aufschieberei (sehr verbreitet unter Schülern und Studenten), bei dem man angesichts großer Freiheit bei der Zeiteinteilung und trotz klarer Prioritäten die unwichtigsten Aufgaben zuerst erledigt, um gegen Ende einer Deadline zunehmend in Stress zu geraten. Kenntnis des Problems hat erfahrungsgemäß keinen merklichen Einfluss auf dessen Lösung. Ausreichend Schlaf und Sport hingegen scheinen zu helfen ;-)